Maschinentelegrafen
Versuchsaufbau 2011Maschinentelegrafen stammen aus der Zeit, als Maschinen nicht ohne eine ständig anwesende Person betrieben und gesteuert werden konnten. Bei einem großen Fahrzeug, wo sich der Kommandant weit entfernt von der Maschine aufhielt, benötigte man Maschinentelegrafen, um die Fahrtanweisungen des Kommandanten in den Maschinenraum zu übertragen. Dort hatte der ständig anwesende Maschinist die Maschine entsprechend zu bedienen. Diese Geräte gab es auf Schiffen, aber auch in Luftschiffen und den ersten großen Flugzeugen, wo die Motoren in Gondeln untergebracht waren, in denen – heute kaum vorstellbar – Maschinisten Dienst taten.
Wichtig zu wissen:
Bei Fahrzeugen, die mit Maschinentelegrafen bedient wurden, arbeitete zwangsläufig ein Maschinist im Maschinenraum. Er durfte den Raum während der Fahrt nicht verlassen!
Aufbau und Arbeitsweise
Maschinentelegrafen bestehen aus zwei einfachen, ähnlich aussehenden Apparaten, die miteinander gekoppelt sind: Ein Hebel lässt mehrere Einstellungen zu, die auf einer Scheibe ablesbar sind und zum Gegengerät übertragen werden.Das eine Gerät steht im Führerstand beim Kommandanten, sein Gegenstück im Maschinenraum. Wählt der Kommandant mit seinem Hebel eine bestimmte „Fahrt“ (Geschwindigkeit), wird dies am Gegenstück im Maschinenraum angezeigt. Der Maschinist bestätigt den Befehl mit seinem Hebel, der Kommandant sieht dann an seinem Gerät, dass sein Befehl ausgeführt wurde.
Die üblichen Einstellungen der Fahrt waren:
- Volle Fahrt voraus
- Halbe Fahrt voraus
- Langsame Fahrt voraus
- Halt
- Langsame Fahrt zurück
- Halbe Fahrt zurück
- Volle Fahrt zurück
Besonderheiten
- Um den Maschinisten auf eine neue Anweisung aufmerksam zu machen, wurde diese auch akustisch gemeldet – mit einem Glockenschlag oder einem Klingeln. Oft gab es auch eine Klingel unabhängig vom Maschinentelegrafen, um den Maschinisten auf eine bevorstehende Aktion hinzuweisen, damit er Zeit hatte, sich zur Maschine zu begeben.
- Die Rückmeldung am Gerät des Kommandanten konnte statt eines Zeigers auch akustisch erfolgen, wie das bei unserem nun eingebauten Gerät (siehe unten) der Fall ist.
- Bei einem zweimotorigen Fahrzeug wie bei unserer Fähre konnten die Anweisungen für beide Motoren getrennt übermittelt werden. Bei diesen Maschinentelegrafen hatte das Gerät des Schiffsführers auf seinen beiden Seiten jeweils eine Scheibe mit Zeiger und Hebel. Im Maschinenraum befand sich das Gegengerät beim jeweiligen Motor.
- Bei einem Fahrzeug mit mehreren Führerständen benötigte man in jedem Führerstand einen Maschinentelegrafen, der mit seinem Gegenstück im Maschinenraum kommunizierte.
- Bei den üblichen Schiffen mit Schraubenantrieb musste für die Fahrt zurück der Motor „umgesteuert“, d.h. abgestellt und in umgekehrter Drehrichtung wieder angeworfen werden. Das war bei unserer Doppelendfähre einfacher, denn sie hat an beiden Enden Schrauben, die über Kupplungen wechselseitig verwendet werden konnten.
Die ursprünglichen Maschinentelegrafen unseres Fährschiffs
Originale Gegenstelle für einen Motor vor dem Ausbau aus dem Maschinenraum - wohl 1996.
Bei den ursprünglichen Geräten unseres Fährschiffs erfolgte die Übertragung der Anweisungen von den Führerständen in den Maschinenraum und zurück rein mechanisch. Es gab vier über Rollen geführte Züge aus Seil-, Draht- und Kettenabschnitten (jeweils hin und zurück). Jede Änderung der Fahrt löste im Maschinenraum einen Glockenschlag aus.
Das Gerät besteht aus einem massiven Topf aus Gusseisen, es wiegt rund 15 kg! Im Inneren befinden sich die beiden Scheiben, um die die Ketten laufen. Über diesen ist die Glocke montiert. Die eine Scheibe, die vom Hebel aus dem Steuerhaus gesteuert wird, hat Nocken, für jede Einstellung eine. Die Nocken betätigen einen Hebel, über den die Glocke angeschlagen wird.
Originales Gerät aus dem Maschinenraum - zerlegt. Montiert sitzt die Glocke (links) wie ein Deckel über dem
hier sichtbaren Schlagwerk. Die Anzeigescheibe deckt alles ab.
Laut Schiffsführer Otto Carolus[1] war die Bedienung nicht ganz einfach, denn der Hebel musste immer etwas „überdreht“ werden, damit die Anweisung richtig unten im Maschinenraum ankam. Grund dafür war das Spiel im Übertragungsweg und die Dehnung der Seile. Die Bedienung muss auf jeden Fall recht viel Kraft benötigt haben, denn es wurde ja nicht nur die Gegenstelle im Maschinenraum mit der Glocke betätigt, auch der Maschinentelegraf im gegenüberliegenden Steuerhaus lief mit.
Die 2015 eingebauten Maschinentelegrafen
Der Maschinentelegraf aus der LINZGAU...
Der Verein „Rettet die Meersburg ex Konstanz!“ musste sich nach Ersatz umsehen, da mit den Resten der ursprünglichen Anlage die Funktionalität nicht mehr hergestellt werden konnte.
Es fand sich ein kompletter Satz von Maschinentelegrafen vom vierten Fährschiff Linzgau[2] das 1952 als letztes Schiff der Linie Konstanz-Meersburg mit Schraubenantrieb in Dienst gestellt wurde.
An dieser Stelle bedankt sich der Verein herzlich beim Seglerverein Staad und bei den Stadtwerken Konstanz für die Zurverfügungstellung dieser Maschinentelegrafen, was es möglich macht, die Funktionsweise bei Führungen zu erläutern.
Einbausituation im Maschinenraum ...Bei diesen Maschinentelegrafen wurde das Signal zwischen den Führerständen und dem Maschinenraum elektrisch übertragen, während die Geräte der beiden Führerstände per Seilzug gekoppelt waren.[3] Dies war bei der Bauweise dieses Schiffes (die Führerstände standen sich auf dem Oberdeck gegenüber) ohne großen Aufwand möglich.
Die neun Befehlsstufen von „volle Kraft voraus“ bis „volle Kraft zurück“ (es gibt hier noch zwei Stellungen namens Achtung“, die aber nicht benutzt wurden) sind über je eine Leitung verbunden. Wird am Steuerstand ein Befehl gegeben, leuchtet am Gerät im Maschinenraum (statt eines Zeigers) das entsprechende Feld auf. Außerdem läutet dort eine Glocke so lange, bis der Befehl quittiert wird, d.h. der Maschinist den Hebel auf das leuchtende Feld stellt. Gleichzeitig mit der Glocke im Maschinenraum ertönt im Führerstand ein Summer. So bekommt der Schiffsführer die Rückmeldung nicht angezeigt, sondern das Ende des Summen bedeutet: "Maschine läuft wie befohlen".
Elektrische Anzeige der befohlenen Fahrt ...
Zumindest vorerst wird nur ein Steuerstand unseres Schiffes mit einem Maschinentelegrafen ausgerüstet. Dieser steuert ein Gegengerät im Maschinenraum.
Technikgeschichtliche Einordnung
Warum diese umständliche, fehlerträchtige und langsame Übermittlung der Steuerbefehle?Die ersten Maschinen für den Antrieb größerer Fahrzeuge waren Dampfmaschinen. Diese waren, vor allem in Verbindung mit dem Kessel und dessen Feuerung, komplexe Gebilde, die mehrere Personen zum Betrieb benötigten. Da war eine Vielzahl von Schmierstellen ständig mit Öl zu versorgen, und eine Änderung der benötigten Kraft bedingte mehrere Tätigkeiten und Einstellungen. Dampfschiffe gab es auf dem Bodensee seit 1824.[4]
Die ersten Dieselmaschinen in Schiffen[5] waren einfacher zu steuern, aber auch bei diesen frühen Motoren mussten viele Lagerstellen ständig von Hand geschmiert werden.[6] Außerdem musste neben dem Gashebel auch die Kupplung bedient werden – bei unserem Fährschiff sind es zwei Gashebel und vier Kupplungshebel. Und schließlich ist der Startvorgang dieser Motoren (mittels Druckluft) ein komplexer Vorgang, der damals noch nicht automatisiert war.
Dass diese indirekte Maschinensteuerung erst relativ spät abgeschafft wurde, hatte aber nicht nur technische, sondern auch soziale Gründe. Schließlich hatten die Maschinisten einen Arbeitsplatz, und mit der direkten Antriebssteuerung vom Führerstand aus gingen viele Arbeitsplätze verloren.[7]
Der Fortschritt bei der Automatisierung, vor allem die Zentralschmierung der Maschinen, dürfte der wichtigste Grund sein, weshalb auf den ständigen Aufenthalt eines Maschinisten im Maschinenraum verzichtet werden konnte. Bei den Fährschiffen unserer Linie fällt das zusammen mit dem Einbau von Voith-Schneider-Antrieben beim fünften Schiff, der Thurgau, 1954.[8]
Übrigens: Dieses Schiff wurde im Winter 1965/66 so umgebaut, dass die Fernbedienung und -überwachung der Maschinenanlage vom Steuerhaus aus möglich war. Erst seit diesem Umbau konnten die Motoren vom Steuerstand aus auch gestartet werden!
In diesem Zusammenhang:
- Es gibt in der Hochseeschifffahrt noch mindestens eine weitere Aufgabe, die nicht direkt durch den Kapitän, sondern durch eine andere Person durchgeführt wird. Dies ist der „Rudergänger“, und seine Aufgabe es ist, die Befehle zur Steuerung des Ruders auszuführen.[9
- Es gibt oder gab einige weitere Geräte mit ähnlichen Funktionen wie bei Maschinentelegrafen, insbesondere auf Kriegsschiffen: unter anderem Artillerie-, Torpedo- und Schott-Telegraphen ("Schotten dicht", angezeigt durch Läutewerk).[10
- Auf manchen Schiffen, vor allem wohl auf Dampfschiffen, sieht man auch Sprachrohre für die Verständigung zwischen Führerstand und Maschinenraum. Vermutlich waren Dampfmaschinen im Betrieb deutlich leiser als die Dieselmotoren unserer Fähre. Der Lärmpegel im Maschinenraum unserer Fähre war mit Sicherheit so hoch, dass an diese Art der Verständigung nicht zu denken war.
Blick in den Führerstand mit dem Maschinentelegrafen - August 2015.
Anmerkungen
1) Otto Carolus, (1926 - 2016), war von 1954 bis 1983 bei den Stadtwerken Konstanz angestellt. Er fuhr als Schiffsführer auch noch unsere Historische Fähre Konstanz (damals unter dem Namen „Meersburg“) bis zu deren Verkauf 1963. Der Verein dankt ihm herzlich für seine stete Bereitschaft, uns mit seinem Wissen zu unterstützen.2) Fährschiff Linzgau: Indienststellung 1952, Außerdienststellung 1980, dann noch 16 Jahre als Clubheim für den Seglerverein Staad beim Yachhafen Konstanz-Staad, verschrottet 1996. Alle späteren Fähren hatten Voith-Schneider-Antriebe, die direkt vom Führerstand aus bedient werden konnten. Siehe Wikipedia-Artikel Linzgau (Schiff).
3) Genauer gesagt waren bei den Maschinentelegrafen der Linzgau die beiden Geräte der Steuerhäuser so aufgebaut, dass jeweils nur eine Seite des Geräts die elektrische Ausstattung für die Übertragung in den Maschinenraum hatte und die andere Seite die mechanische Übertragung zum Gerät im anderen Steuerhaus. So wurde eigentlich nur jeweils eine Maschine direkt aus dem Steuerhaus kommandiert, die andere indirekt über den Seilzug aus dem anderen Steuerhaus. Das ist auch der Grund, weshalb derzeit nur die Übertragung der Kommandos für eine Maschine eingebaut wurde – für die andere bräuchte man das zweite Gerät, das aber auf unserer Fähre wegen des fehlenden Oberdecks nicht wie auf der Linzgau mit Seilzügen verbunden werden kann.
4) Siehe Wikipedia-Artikel Liste der Bodenseedampfschiffe.
5) Nach dem ersten Weltkrieg wurde für den Bodensee nur noch das Dampfschiff „Stadt Überlingen“ (1929) gebaut, alle anderen Neubauten wurden mit Dieselmotoren angetrieben. Siehe Wikipedia-Artikel Dampfschifffahrt auf dem Bodensee.
6) Auch die alten Maschinen unserer Fähre haben noch einen offenen Ventiltrieb mit einer großen Zahl von Schmierstellen.
7) Zur aktiven Zeit unseres Fährschiffs Konstanz bzw. Meersburg arbeiteten fünf Mann an Bord:
1 Schiffsführer,
1 Maschinist, der während der Fahrt im Maschinenraum sein musste und nur nach oben durfte, wenn das Schiff festgemacht war,
2 Kassierer,
1 Matrose, der das Schiff festmachte, die Brücke bediente und den Verkehr regelte.
Heute werden die vielfach so großen Fährschiffe unserer Linie von drei Personen bedient:1 Schiffsführer,
1 Kassiermatrose,
1 Kassiermatrose im maschinentechnischen Dienst.
8) Siehe Wikipedia-Artikel Thurgau (Schiff, 1954).
9) Rudergänger gibt es auch heute noch. Der Rudergänger des 2012 havarierten Kreuzfahrtchiffs Costa Concordia wurde, zusammen mit anderen, zu Haft verurteilt. Kommunikationsprobleme zwischen ihm und dem Kapitän sollen einer der Gründe für das Unglück mit 32 Toten gewesen sein. Siehe Wikipedia-Artikel Costa Concordia.
10) Quelle: Verth, M.zur/E.Bentmann/E.Dirksen,/R.Ruge Handbuch der Gesundheitspflege auf Kriegsschiffen, Jena 1914.
Text: Karsten Meyer, Fotos: Karsten Meyer (11), Klaus Kramer (1).
Dieser Text erschien zum Tag des offenen Denkmals am 13. September 2015 als Faltblatt, welches beim Verein und in der Regel auch auf dem Schiff erhältlich ist.
Dieser Text erschien zum Tag des offenen Denkmals am 13. September 2015 als Faltblatt, welches beim Verein und in der Regel auch auf dem Schiff erhältlich ist.
Nachtrag
Nicht im gedruckten Faltblatt enthalten
Maschinentelegrafen in abgewandelter Form wurden auch in Forts (Befestigungsanlagen) benutzt, und zwar zur sicheren Kommunikation zwischen Gefechtsstand und den Feuerständen. Besichtigen kann man das im Fort Schoenenbourg, einer französischen Befestigungsanlage der Maginot-Linie aus dem 2. Weltkrieg.Der alte Antrieb konnte auch deshalb erhalten werden, weil es – völlig unabhängig von diesem – einen neuen Antrieb gibt. Hier geht es weiter zum neuen Antrieb:
Der neue Antrieb: Schottel Pump-Jet